Taxi!

Ich hab doch so schön Taxi fahren gelernt. Hier in Brasilien übe ich weiter.
Genug Zeit ist ja. Morgens eine halbe Stunde – abends eine ganz Stunde.
Meine allererste Taxifahrt vom Hotel in’s Büro war besonders lustig.
Erstens habe ich da dieses besagte Schnellboot das erste Mal gesehen (und ja, es stimmt, ich hab jetzt öfter noch nachschauen können und musste jedesmal lachen :-D) und als wir losgefahren sind, bog der Taxifahrer um zwei Ecken, dreht sich zu mir um, sagte “IRGENDWASAUFBRASILIANISCHUNDLACHTDABEINETT” und bog ab – naaaa? wohin?
Genau, zur Tankstelle.
Die Motorhaube wird aufgeklappt – und mein Mund auch.
Das gibt’s doch nicht. Boxenstopp 😀 Kenne ich doch von China.

Anscheinend ist Deutschland das einzige Land, wo der Taxifahrer ausserhalb des Kundenkontaktes Autopflege betreibt. Ich warte noch auf das erste Taxi, das mit mir durch die Waschsstrasse fährt. Vielleicht bekomme ich sogar eines Tages einen Schwamm in die Hand gedrückt, um zu helfen 😉

Preise sind variabel je nach Taschenrechnermodell und schwanken zwischen 95 und 115 Reais. Passt schon. Ich schwanke ja auch, wenn ich nach der Fahrt aus dem Taxi steige.
Die letzten beiden Male hab ich portugiesisch/brasilianisch gelernt – mit dem Taxifahrer. Ich auf spanisch, er auf brasilianisch-portugiesisch – ein gefühlter Mix aus dem Spanisch, das in Mexiko gesprochen wird (also, praktisch alles verniedlicht) kombiniert mit der leidenschaftlichen Sprachmelodie der Italiener und vernuschelten Wortfetzen. Trotzdem eine schöne Sprache. Und wenn sie langsam reden, verstehe ich alles.
Das sag ich denen im Büro natürlich nicht, aber sie haben es schon rausbekommen.
😉

Was den brasilianischen Hüftschwung angeht – der sorgt anscheinend ab und zu auch mal für Motorradfahrer, die neben der Straße von der Ambulanz aufgelesen werden müssen. Leider. Zwei pro Tag erklärt mir mein Brasilianischlehrer (Taxifahrer). Keine schöne Statistik. Da helfen auch nicht die Warnschilder, die vor dem vielen Motorradverkehr warnen.

Mittlerweile mache ich es mir bei der Heimfahrt auf der Rückbank bequem. Lesen geht ja nicht weil mir a) schlecht wird und b) ist es ja schon dunkel. Das Tagesrestlicht wird ohnehin durch die stark getönten Scheiben absorbiert.
Wenn man die Scheiben runterlässt, sieht man, daß die Läden und Restaurants dann doch beleuchtet sind.

Morgen, ja morgen, da werde ich Sao Paulo im Tageslicht sehen. Das erste Mal in 6 Tagen. Und dann gibt’s auch endlich, endlich Bilder.

🙂
F.L.

Brot und Oliven?

Ach, gerne!
Ich habe gerade im Hotelrestaurant ein echt authentisches brasilianisches Gericht bestellt (Ravioli mit Tomaten und Mozzarella) und werde gefragt “Brot und Oliven?”
– und ich sage “ja, warum eigentlich nicht”. Selbst-verständ-lich auf neuerworbenem brasilianisch. (“Ta!”)
So zur Überbrückung ist das doch nett. Ein paar schwarze Oliven und Brot.
Ich tippe noch zwei-drei Zeilen in meinem Laptop, und wende mich der ersten Olive zu. Ich werde aber unterbrochen: “Das Essen ist da”.
Äh. Ja. “Obrigada”

Ich hatte das mit den Oliven für eine nette Geste gehalten, weil das Essen wahrscheinlich länger dauert. Pustekuchen. Nach 4 Minuten ist das Essen fertig. (Hat das jemand nicht aufgegessen?)
Jetzt habe ich zusätzlich zum Hauptgericht die Oliven, 6 dicke Scheiben Weißbrot, diverse Brotaufstriche vor der Nase stehen.
Bzw. hinter meinem Teller mit dem Hauptgericht, zu dem die Oliven meinem gusto nach nicht passen. Hätte ich ein Gericht mit Oliven gewollt, hätte ich das so bestellt.
So wird die “Vorspeise” wahrscheinlich auf der Rechnung und im Müll landen. Mein europäischer Magen ist nämlich auf ein Uhr morgens eingestellt und nicht auf zwei Mega-Portionen.
Sehr schade.

Warum ich beim Italiener sitze? Weil das Restaurant zum Hotel gehört, und ich mich als bekennender Schisser nicht allein vor die Tür traue. Erst recht nicht in Sao Paulo, nicht im Dunkeln. Auch, wenn mir F;o) letztens “globale Überlebenskompetenz” zugeschrieben hat – ich überlebe wahrscheinlich aus purer Feigheit.
Die Einladung zur Demo gestern abend hab ich ja auch ausgeschlagen, obwohl ich sehr gerne mal diesen “Spirit” mitbekommen würde. Den friedlichen, “wir-bewegen-was-Spirit” meine ich damit. Nicht den “Molotov-Cocktail-Spirit”.

Dafür “genieße” ich den “mal-sehen-was-wir-hotelgästen-für-geld-alles-andrehen-Spirit” – und bin gespannt, ob er mir gleich noch die Dessertkarte zu den Oliven bringt.
Außerdem rennt der Kellner ständig um mich herum, während ich hier am Tippen bin. Ob er mich für einen Restaurantkritiker hält? Der Gedanke, ich sei Geschäftsreisende, und würde mich den Abend über im Hotelrestaurant herumdrücken, ist ja anscheinend ziemlich abwegig.
Wird Zeit, daß ich in’s Hotelzimmer verschwinde. Da gehören sie schließlich hin, diese Hotelgäste 😉
Gute Nacht, Brasilien.
Morgen ist ein neuer Tag.

Eure Filia Leonis

Demo.

Ich weiß nicht, inwiefern das bei uns in den Medien präsent ist, aber in Brasilien geht ja gerade so einiges in Sachen “Demo” gegen die Regierung, Korruption und ähnliches. Und als ich in Deutschland losgeflogen bin, da ging es so richtig ab in Sao Paulo, mit Tränengas und all dem Zeug – wie man das halt immer so liest. Naja, Sao Paulo ist ja groß, denke ich mir. (Vielleicht sollte ich das denken mal einstellen, das bringt mich grad irgendwie nicht weiter ;-))

Aber: gehst Du nicht zur Demo, kommt die Demo zu Dir.
Morgens um halb acht fängt der Taxifahrer leise an zu fluchen und dreht das Radio lauter. Ich höre den Namen der Straße, wo wir gerade hinfahren und das Wort “Manifesto”… au weia. Die werden doch nicht…
DOCH! 500 meter vor meiner Auftraggeber-Firma stehen sie mit ihrer Demo auf der Straße und produzieren dicke Rauchschwaden mit dem Feuer, das sie da auf der Straße legen. – und ich hab das Gefühl, mit dem Taxi durch eine Fernsehdoku zu fahren.
Und, ich geb’s zu: Ich hab ein bißchen Schiß – so nah an den Protesten vorbeizufahren. Aber ich habe auch Gänsehaut, denn irgendwie passiert hier nämlich auch etwas ziemlich Großes.
Meine brasilianischen Kollegen sagen alle: “Brasilien wacht endlich auf – endlich bewegt sich etwas” – und dabei haben sie so einen Glanz in den Augen, der besonders ist.
Der junge Kollege setzt seinen Rucksack auf und sagt “so, ich muss jetzt los, ich will noch zur Demo – ich freue mich schon” – und er schaut, als würde er seine neue Freundin zum Kino abholen. Auch, wenn ich fast nichts über dieses Land weiß – es fühlt sich besonders an.

Wir werden sehen, was hier passiert, was sich hier bewegt.
Und wenn sich da was bewegt, dann kann ich sagen, daß ich dabei war – die Zeit wird es zeigen.

Ich bin übrigens sicher von A nach B und wieder von B nach A gekommen. Und, keine Sorge – ich hab zwar für das Wochenende noch nix vor, aber ich denke nicht, daß Ihr mich im Fernsehen werdet bewundern können.
Lieber gehe ich shoppen 😉

Eure Filia Leonis

Zitat “am Südpol denkt man ist es heiß”

ich zitiere diesen schönen Buchtitel, weil er so schön passt.

Natürlich denkt das keiner. Wir wissen ja, am Südpol, da ist Eis und Schnee. Also – warm kann es da nicht sein. Und trotzdem sind einige von uns der Meinung – je südlicher, desto wärmer.
Auch ich darf mich in die Riege stolzer “Dummies” einordnen, denen das passiert.
Brasilien. Hey. Super Sache, Sommer, Sonne, FlipFlops.
Die Frau im Flieger erzählt mir “Es ist ja jetzt Winter in Brasilien”. Ich gähne und denke mir “jaja…. was die wohl mit Winter meint” – und überlege, ob ich mein neues Kleidchen morgen im Büro anziehen soll, oder doch lieber den Anzug, falls es klimatisiert ist, im Büro.

Jaja… Und jetzt ist es soweit. Ich friere mal wieder.
Es hat zwar tagsüber schöne 25°C, aber morgens … ja, da ist es schön frisch. Weil sich ja die Sonne auf der NÖRDLICHEN Halbkugel herumdrückt. Und somit hier die Sonnenstunden echt nicht mehr besonders üppig ausfallen. Und ja, Sao Paulo ist SÜDLICH von Rio. Aber eben auch SÜDLICH des Äquators. Und ab da wird es immer kälter, je südlicher man ist.

Die gute alte Logik: “die Erde ist halt rund”. Ein kleines bisschen schäme ich mich ja, ich, mit meiner Skipper-Ausbildung, als “Weltenbummler” und erfahrene Reisende.
Eine einzige gute Entschuldigung habe ich:
Ich hab das Wetter recherchiert und neben den Kleidchen auch anständige Hemden und Anzüge eingepackt. Und:
Das ist mein erstes Mal, südlich des Äquators.
Und soooo kalt ist der Winter in Brasilien dann auch nicht.

🙂
Eure Filia Leonis.

Der brasilianische Hüftschwung

Nanu, Brasilien?
Das war doch gar nicht auf der Reiseliste?
Stimmt!
Und “meine Reise” ist rein rechnerisch auch zuende. Aber “die Reise” endet nie, und deshalb habe ich beschlossen, weiter meinen Blog mit meinen Reiseabenteuern zu befüllen.
Brasilien ist da eine gute Gelegenheit. 🙂
Wer brav mitgelesen hat (auch die Kommentare) weiß, daß mein Chef mich zum Arbeiten nach Brasilien geschickt hat. Jaa, da gibt es auch schlimmere Chefs. 😉

Das heißt, ich bin a) nicht mit dem Zug nach Brasilien gefahren (ist auch schwer, für die Trans-Atlantik-Bahn Fahrkarten zu bekommen ;-)) und b) musste ich mich nicht selbst um die Unterkunft kümmern. Und es heißt c) daß ich morgens aufstehen muss, wenn es die Arbeit erfordert, und nicht, wenn ich wach bin. In Zahlen ausgedrückt – ungefähr drei Stunden vor meiner Zeit.
Warum?
In Sao Paulo, etwas südlich von Rio, ist bisher zu allen Zeiten, in denen ich mich in einem Taxi befunden habe, Stau gewesen.
Man könnte sich eigentlich ganz gut Arbeit mitnehmen für die Fahrt in’s Büro – wenn einem nicht hinten im Auto schlecht werden würde. Man steht zwar viel (im Stau), aber wenn das Taxi erstmal fährt, dan fährt es. Und zwar so, wie es sich für eine Formel-1-Fahrerschmiede gehört: zügig. Sehr zügig.
Und deshalb gucke ich halt aus dem (getönten) Fenster und schaue mir die anderen Verkehrsteilnehmer an. Und die Geschäfte in den Straßen. DA muss ich morgen nochmal genauer hingucken. Wenn ich nicht falsch gesehen habe, gab es da einen Sex-Shop und gleich daneben konnte man ziemlich schicke Schnellboote der Marke “Fucker” kaufen. Hm. Bestimmt habe ich mit meinem Jetlag eine Wahrnehmungsstörung gehabt.

Und hier im Stau habe ich auch gelernt, was es mit dem brasilianischen Hüftschwung auf sich hat. Der sorgt nämlich dafür, daß die Motorräder, die mit konstanter Geschwindigkeit durch den Stau rasen – sich wirklich geschmeidig um die anderen Autos herum bewegen können. Ich staune. So viel Eleganz habe ich in einem Stau so noch nicht gesehen. Das ist wirklich Kurven- und Bewegungslehre vom Feinsten.

Eure Filia Leonis

Na, wie war’s?

Die Tage hat einer meiner Freunde unabsichtlich und mit besten Absichten die wahrscheinlich schlimmstmögliche Frage gefragt:
“Mensch, wie WAR’s denn, jetzt ERZÄHL doch mal!”
Ich hab ihm in’s erwartungsvoll strahlende Gesicht gesehen und gewusst – jetzt habe ich verloren. Ich würde binnen weniger Sekunden jeglichen vorhandenen Eindruck zerstören, ich sei irgendwie eloquent, ein guter Erzähler, oder gar jemand, der gerne seine Eindrücke teilen würde. Oder daß die Reise irgendwie interessant gewesen sein könnte. All das würde gleich den Bach ‘runtergehen (sofern der Eindruck vorhanden gewesen sein sollte)
Meine Antwort ist nämlich “ääh… öh… ” gefolgt von tonlosem Gestammel und einem entgleisten Gesichtsausdruck.

Wie konnte das passieren? Hab ich tatsächlich jegliche Erzählkompetenz mit Wiedereintritt in das vielleicht wichtigste Bundesland der Welt – Bayern – abgegeben?

Mitnichten. Aber: Erinnert Euch an früher: Wir waren eines Dienstags im Kindergarten, wir haben hinter irgendeinem Busch gelernt, daß die Erzieherin heimlich raucht und uns armen Kinderlein dann Spielzeugentzug androht, wenn wir sie verpetzen, haben es nicht geschafft, den Konflikt mit dem Nachbarskind gewaltfrei zu lösen und sind aus diesem Grund im Schlamm gelandet, haben uns mit irgendjemandem geprügelt – vielleicht haben wir auch just an dem Tag versehentlich gelernt, daß Buben untenrum anders aussehen als Mädchen.
Und dann kommen wir heim, und es kommt die Frage: “Naaa, was habt Ihr denn gemacht!?”.

– bitte stellt Euch JETZT das Gesicht des Kindes vor –

Hier sind existentielle Dinge geschehen, es wurden Erkenntnisse gesammelt, die für unser ganzes weiteres Leben wichtig sein würden.
Zum einen haben wir das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begriffen. Zum anderen ist dieser Tag im Kindergarten am (damaligen) Gesamtleben gemessen eine so vielschichtige Erfahrung, daß sie alle weiteren Tage im Kindergarten – und auch die in der Schule – nachhaltig beeinflussen werden. Vor allem das mit den Mädchen und den Buben ^^

Ich mein’s ernst. Ich kann diese Fragen gar nicht beantworten. Fragt mich jetzt jemand: “Sag mal, wie hast Du das mit dem Post aufgeben in Beijing gemacht?” oder “Warum gibt’s bei Dir seit Neuestem eigentlich Popcorn zum Abendessen?” – dann kann ich das beantworten.
“Erzähl mal” – ist für mich derzeit die am Schwersten zu erfüllendste Bitte. Ob mir das selbst komisch vorkommt? Oh ja! Denn ich liebe es, zu erzählen. Ehrlich. Ich will ja unbedingt was erzählen.

Nur für eine kurze Zusammenfassung dieser Reise ist es noch zu früh. Und wenn ich diese Zusammenfassung geben kann, will es keiner mehr wissen. Und wenn ich einen Teil erzähle… hm. Welchen soll ich erzählen? Die einzelnen Teile sind an Banalität nicht zu übertreffen – “Ich hab Mangos gegessen”.

Vielleicht ist das “von außen” einfacher zu beantworten?
Also frage ich EUCH, die zumindest hier dabei waren:
Wie WAR es denn eigentlich?

Alles Liebe
Eure Filia Leonis

P.S. Happy Birthday, alter Herr.

Deutschland, Bayern.

…und die Reise geht weiter. Von außen gesehen sieht man Deutschland auch in einer anderen Perspektive:

Deutschland ist nämlich phänomenal. Bürgersteige sind optisch wie auch haptisch von der Hauptfahrbahn getrennt. Aus dem Geldautomaten kommt gebügeltes Geld (auch gewaschen? ^^) und alles ist ordentlich. Gehupt wird ausschließlich im Notfall (okay, meistens), und Ampelfarben haben eine konkrete Bedeutung.
Wo in anderen Ländern der Verkehr ineinanderfließt (unabhängig der Ampelfarbe und dem Verkehrsteilnehmer), so ist das hier eher digital. Soll heißen:
Ampel für die Autos grün: Nimm Deinen Hintern von der Straße!
Ich hatte immer Angst, über die Straße zu gehen, was sich in Beijing und Chengdu tatsächlich geändert hat. Weil ich gelernt habe, daß die Autos dort Bremsen, Lenkräder und Fahrer mit funktionierenden Augen haben. In Deutschland ist das so: Hat der Autofahrer grün, fährt er. Alles andere ist zweitrangig.
So hat eben alles seine Vor- und Nachteile.
Ich habe wieder Bedenken, mal eben über die Straße zu huschen – weil es eben diese deutschen Regeln gibt: Autos auf der Straße – Fußgänger nicht. Andererseits fühle ich mich in der Fußgängerzone jetzt wieder sicherer, weil mich keine eBikes mehr lautlos umnieten können.
Zumindest wäre es dann verboten…

Und im Übrigen habe ich gehört/gelesen (das muss ich bei Gelegenheit mal sauber nachrecherchieren), daß man hier richtig Ärger kriegen kann, wenn man bei Rot über die Ampel geht. Hm.
Was ist jetzt besser? Starre Regeln und Sicherheit? Oder weiche Regeln und Eigenverantwortung? Oder beides?

Eure Filia Leonis.

Das Wichtigste zum Schluss…

Ich hab ja am Anfang geschrieben, daß das so meine persönliche Variante des “Jakobswegs” ist. Jetzt werd’ ich natürlich nach meinen Erkenntnissen gefragt. Das war ja nicht zu vermeiden 😉

Aber kurz vor Ende meiner Reise ist eine Frage übrig: nämlich die aus meiner Sicht zentrale Frage des Reisenden: “Was nehme ich mit?” Und ich meine jetzt nicht, welches Lieblings-T-Shirt und wieviele Socken ich einpacke, wenn ich losfahre.
Nein, ich meine die Frage: “Was kann ich von all diesen Plätzen mit nach Hause nehmen, die ich gesehen und erlebt habe?”.

Ja, wir können Souvenirs kaufen, wir können Bilder machen, und wir können uns ein T-Shirt vom Yoga Retreat kaufen. Oder einen Blog schreiben. Leider ist der Platz für sowas in einem Rucksack ziemlich limitiert (also, außer für den Blog ;-)), und ich hatte das Problem ja auch schon in den italienischen Schuhläden. Also habe ich von Beijing aus ein paar Sachen heimgeschickt, die ich nach Sibirien nicht mehr brauchen würde. Ich hab also prinzipiell Platz für alles, was ich dann doch noch mitnehmen möchte.

Aber die Wahrheit ist: Du kannst gar nichts mitnehmen.

Wir ahnen es schon, wenn wir diese Stücke kaufen, daß wir das, was wir damit eigentlich mitnehmen wollen, gar nicht mitnehmen können.
Der Zauber, der diesen Dingen anhaftet, wird verschwinden, früher oder später, und die Dinge werden zu dem, was sie eigentlich sind: Zu Dingen.
Und dann kommen sie daheim auf den Stapel von anderen Sachen, mit denen wir glauben, Erinnerungen zu verbinden.

Es ist ein bißchen wie mit den Blumen, die wir so gerne kaufen und in die Vase auf den Eßtisch stellen. Irgendwann verblühen sie und wir müssen sie wegwerfen. Sie machen Dreck und das Wasser wird trübe. Eigentlich hatten sie einen besseren Platz. Nämlich da, wo sie gewachsen sind. Und selbst dort, wo ihr Ursprung ist, wo sie gewachsen sind, selbst dort werden sie nur eine Zeitlang da sein.

Beides hilft also nicht. Mitnehmen raubt ihnen die Farbe und den Duft nach einiger Zeit – und dort zu bleiben, wo sie wachsen, hilft auch nicht. Denn auch dort werden sie nicht für immer bleiben.

Natürlich bleibt der Himalaya noch eine Zeitlang, wo er ist, zumindest mal aus heutiger Sicht so lange, wie ich mich dort rein rechnerisch aufhalten könnte. Und auch das kristallklare Eis im Baikalsee bleibt neun Monate, wo es ist.

Aber das ist es ja nicht, was wir mitnehmen wollen.

Das, was wir mitnehmen wollen ist ein aus vielen Einzelteilen zusammengesetzter Moment: Menschen, Geräusche und Farben, Wärme oder Kälte, verschiedenen Geschmäckern und dem Ort, an dem das alles zusammenkommt.

Das, was wir mitnehmen wollen bleibt, wo es gewachsen ist, egal was wir versuchen:
An dem Ort und genau in dem Moment, in dem es entstanden ist.
Und dieser Moment ist vorbei. (Das coole daran ist: das gilt auch für die doofen Momente in unserem Leben. :-D)

Ich hab in der Hängematte in Nepal eine schöne Frauen-Urlaubs-Schmonzette gelesen. Den letzten Satz möchte ich gern zitieren:

“Mehr als den Moment haben wir nicht”

In diesem Sinne mache ich jetzt noch ein paar Tage Urlaub in den Bergen, bevor ich mich wieder im Büro blicken lasse.

Alles Liebe für Euch,
danke für’s dabei sein.
Eure Filia Leonis.

Kuckuck!

Geschöpf Gottes oder nicht, ich werde mir morgen die Zwille von einem der Mitarbeiter hier ausborgen, und diesen blöden Vogel vom Baum schießen.
Dieser Vogel pfeift mit einer Präzision und Standhaftigkeit ungelogen die ganze Nacht hindurch immer dieselben vier Töne. Man glaubt fast, er veräppelt einen.
Wenn er Glück hat, pfeift er diese Nacht woanders.