Das andere Ende von Sao Paulo

Sorry, das hier ist etwas länger geworden…

Ich hab Glück, daß ich in der Business-Lounge was zum Sitzen gefunden habe. Ansonsten ist es hier eher wie in einer Sardinenbüchse. Ich war zwar noch nie in einer, aber egal. Einige stehen sogar. STEHEN. In der Business Lounge. Naja, heutzutage ist ja jeder wichtig und “business” – anscheinend. Essen ist jedenfalls genug da und ich schlage mir den Bauch voll, weil ich beim Frühstück nicht besonders viel gegessen habe. Außerdem ist ja schon wieder Mittag durch.
Platzmässig sind die Lounges wohl an ihre Grenzen gestoßen.

Genauso, wie die Favelas hier an ihre Grenzen stoßen, und dann eben nach oben hin weiterwachsen. Fehlt ein – nennen wir es mal “Wohnraum”, wird halt noch was obendrauf gemauert, gestellt oder gelehnt.
Favelas, die berühmten “Elendsviertel” in Südamerika.
Ich hab gestern mal ein wenig im Internet gestöbert und versucht, rauszufinden, was das eigentlich wirklich ist. Fest steht, es gibt unglaublich viele davon.
Als mein Taxifahrer gestern ‘wegen des starken Verkehrs’ eine Alternativroute um Sao Paulo herum gefahren ist (ich hab ihn immer noch in Verdacht, er wollte lediglich die erste Halbzeit “Italien-Spanien” im Confederations Cup in Ruhe fertighören, ohne auf den nervigen Innenstadtverkehr achten zu müssen), da habe ich viele, viele und noch viele mehr dieser Wohnsiedlungen gesehen. In der Dämmerung, wenn die ersten Leute das Licht einschalten, erkennt man, daß das, was man für eine Bauruine oder ein Parkhaus gehalten hat, scheinbar bewohnt ist. Vorhänge oder gar Fenster sucht man zeitweise vergebens. Manchmal gibt es aber statt Gardinen diese Stäbe in den Fenstern. Schwedische Gardinen? Knast in der Favela? Gelesen hab ich jedenfalls, daß es mittlerweile sogar Mini-Polizeistationen in einzelnen Favelas gibt.
Wie da wohl die Stellenbeschreibung aussieht? Und ob sie hier auch so auf Gleichberechtigung pochen, wo es um Frauen im Dienst geht?
Gute Frage.
Und das Gefängnis, das ich auf dem Weg zum Flughafen gesehen habe, schaut so aus, als würde es maximal die Menge an Politikern fassen, die bei ihrer Doktorarbeit irgendwo geschummelt haben. Viel Platz ist da nicht. Vielleicht ist das Ding auch unterkellert.
Gruselige Vorstellung.
Viele Fragen. Am Liebsten wäre ich halt mal hingegangen, in so eine Favela. Mit einem der Bewohner reden und mal fragen, wie das so ist.
Aber ich sprech ja kein Portugiesisch. Ansonsten wär das ja kein Ding…
(*Suchbild! Was ist hier falsch? “Frau Supersissy will in eine Favela!?”)

Ich glaube ja immer noch an das Gute im Menschen. Aber es soll auch Menschen geben, die nur mein Bestes wollen, am Besten in großen Scheinen. Kleine sollen auch genügen, so habe ich gehört. Und manchmal, ganz manchmal sind Menschen so arm, daß ein Menschenleben nicht viel wert ist, wenn man glaubt, an was zu essen oder – schlimmer – an Drogen zu kommen. Vielleicht sollte ich das dann lassen. Ich bin ja jetzt auch schon so gut wie zurück.
Wie gesagt, in der ich-bin-wichtig-Lounge.

Und wo ich mich hier so beschwere, daß ich meinen verwöhnten Hintern nicht in einer diskreten, ruhigen und exklusiven Lounge breitsitzen kann, so denke ich an die anderen.
Die, die am anderen Ende leben. Am ganz anderen Ende. Und jetzt meine ich nicht die, die in den Favelas leben. Tatsächlich gibt es Menschen, die nicht mal in einer Favela Platz finden. Und die liegen dann in den Straßen Sao Paulos irgendwo, in eine Decke gewickelt (so sie eine besitzen) und versuchen wahrscheinlich, ihr bitteres Dasein zu verschlafen. Oder die, die tatsächlich ihr Lager unter Brücken aufgeschlagen haben. Weil es da nicht auf den Kopf regnet beim Schlafen.
Und einen habe ich gesehen, der hat sich eine Art Zelt aufgebaut, eine Plane an einem Baum festgebunden und festgesteckt. Vielleicht ist das aber auch eine Art “Freiheit”, sich nicht den Regeln einer dieser Wohnsiedlungen zu beugen, die (so gelesen) oft von den Drogenhändlern regiert werden.

Ich rede ja immer rum, jeder entscheidet selbst über sein Glück, man muss es nur wollen und so. Aber wenn du in einer solchen Umgebung aufwächst, woher sollst du denn wissen, daß es sowas wie “Bildung” gibt? Und was das überhaupt bedeutet? Und wo man es bekommen kann?
Bei uns in Deutschland, da wird dir die Bildung hinterhergetragen, wenn das Kind nicht in die Schule gebracht wird, wird es eben abgeholt, dorthin.
Also, im Normalfall.
Und warum sollte ich mich also beschweren, daß hier in der Lounge kein Platz zum “loungen” ist? Ich hab doch kein Recht dazu? Vor dem Hintergrund, daß ich es eh besser habe als viele andere? Aber ich glaube, doch.
Denn so ein Flug kostet ein Heidengeld. Und die Fluggesellschaften machen nicht wenig Gewinn. Die denken sich “zahlen ja eh die Firmen” – stimmt schon. Aber wegen solcher Sachen müssen Firmen irgendwann sparen. Müssen irgendwann Leute einsparen – stellen weniger Leute ein – und irgendwo am Ende vom Teller fallen wieder ein paar Menschen ‘runter. In eine Sozialwohnung, in eine Favela oder auf die Straße.
Da endet dann meist die Reise.

Mein besagter verwöhnter Hintern wird dann gleich im Flieger im Liegesessel sitzen.
Und ich frage mich:
Ist das jetzt alles richtig so?

Eure nachdenkliche
Filia Leonis

Impro Theater

Heute morgen im Büro bin ich ein wenig müde, also schenke ich mir einen Kaffee ein. Stilecht im Plastikbecher. Dünnes Plastik. Sehr dünn.
Der Becher ist schneller unten angeschmolzen als du dir die Finger dran verbrennen kannst.
Zweiteres passiert natürlich trotzdem.
Dabei lohnt es sich gar nicht. Denn der Kaffee ist offensichtlich aus unverkäuflichen Beständen importiert. Trinken kann man das nicht. Aber man kann mal schmecken, wie  viel Zucker im Kaffee sein kann, bevor er zu Pudding wird.
In Brasilien sind Tee und Kaffee nämlich bereits gezuckert, wenn sie aus der Maschine kommen. Das kann schiefgehen – besonders, wenn man es gewöhnt ist, in den Espresso direkt ein Tütchen Zucker hineinzuleeren. Ich lerne ja schnell. Hier trinke ich Wasser.
Oder Cola.
Da ist nicht so viel Zucker drin.

Wenn ich im Ausland arbeite, bin ich es gewohnt, viel zu improvisieren. Wenn man z.B. keine Pinnwand hat, dann klebt man die Sachen halt an die Wand. Das geht dann schon.
Dazu braucht man dann Tesafilm oder Klebeband.
(Das erinnert mich an Mexico, wo wir dann nach zwei Stunden Organisation einen Flipcharthalter hatten. Selbiger wurde mir von einem hinreißend lächelnden Mexicaner gebracht – es war ein halber Staatsakt, das Ding zu organisieren, und er war – wirklich begründet – stolz “wie Otto”.
Als ich nach Papier gefragt hatte, sagte er “Ach so. Nee. Papier haben wir keines dafür”.)

Zurück nach Brasilien:
Brasilianisches Klebeband ist ungefähr vergleichbar mit Frischhaltefolie in Deutschland.
Die Entnahme und der passende Zuschnitt sind kniffelig bis unmöglich, wenn es dann auch noch schön aussehen soll, brauchst du Nerven wie Drahtseile. Nein, einen Unterschied gibt es: Der Tesafilm hier ist richtig schön klebstark. Ergo: Er klebt entweder auf der Rolle fest, oder auf der Schere, mit der Du ihn schneidest, oder an den Fingernägeln (*kleiner Tipp – sollte frau mal keinen Nagellackentferner zur Hand haben…).
Hat man ihn dann zur schnellen Entnahme vorbereitet z.B. an einer Tischkante aufgereiht, kommt garantiert einer rein, der sich genau an DIESE Tischkante lehnt.
Die Streifen aus der Familie des Sekundenklebers sind danach natürlich nicht mehr geeignet, um bunte Moderationskarten an die Wand zu kleben.
Ich gehe jetzt mal zum Spiegel, um zu sehen, ob sich Klebstreifen in mein Haar verirrt haben… wie sieht das denn dann aus!

🙂
Alles Liebe
Eure Filia Leonis

P.S. Info für Steirer: Klebeband = TIXO 😉

Statistik und Sprachkurs

…eines möchte ich noch hinzufügen.
Etwas, was nicht so schön ist:

Ich diskutiere heute mit meinem Lieblingstaxifahrer auf Brasispanisch den Fahrstil der anderen Verkehrsteilnehmer. Und leider muss ich mich korrigieren, was meine Aussage von letztens angeht. (Das ist meinem schlechten Portugiesisch zu verdanken):
Es werden nicht zwei Motorradfahrer täglich von der Ambulanz aufgelesen, sondern von dem anderen Auto, dem schwarzen.

Traurig, aber wahr. Zwei Motorradfahrer täglich sterben auf Sao Paulos Straßen an angewandtem Hüftschwung.
Leute, fahrt vorsichtig. Bitte.
Jedes Menschenleben ist kostbar.

Passt auf Euch auf. Egal, wo Ihr seid.
F.L.

Ab in’s Fernsehen! oder: Mit dem Bus in’s Verderben

Boa noite, queridos amigos! Guten Abend liebe Freunde.
Ich sitze im Restaurant (ja, das vom Hotel, das mit der italienischen Küche) und habe mir eben vom Kellner den um einen Euro teureren Wein aufschwatzen lassen. Ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Schlecht isser nicht, der Wein. Aber Oliven hab ich keine bestellt. Nicht nochmal.

Sao Paulo im Tageslicht ist nicht so übel. Ich hab mich auch alleine bis zur Busstation getraut (5 Minuten). Die haben ein interessantes Vorgehen hier. IM Bus gibt es ein Drehkreuz, und da kommst Du nur durch, wenn Du AM Drehkreuz entweder Deine Dauerkarte am Magneten hinhältst, oder der dort sitzende Mensch das für Dich tut. Natürlich gegen Bezahlung. Ich halte dieses Vorgehen für das Offizielle. Er sah nicht aus, als würder er auf eigene Rechnung arbeiten 😉
Der Bus fährt den gleichen Stil wie die restlichen Verkehrsteilnehmer (Hüftschwung), aber auf den Bus wirken in Kurven halt andere Kräfte. Auch Bremsvorgänge sind besser zu spüren – und: Man rutscht auch besser auf den Plastiksitzen – im Gegensatz zu den Sitzen im Taxi. Also halte ich mich a) fest und klemme mich b) zwischen Sitz und einer Stange zu meinen Füßen. So geht es.
Die Stationen sind übrigens nicht beschriftet. Warum auch. Es gibt schließlich auch keine Durchsagen im Bus. Alles andere wäre nicht konsequent. Aus irgendeinem Grund frage ich im richtigen Moment den Herrn neben mir, ob ich, wenn ich hier aussteige, zur Metrostation komme. Hat geklappt.
Und jetzt wird es schwierig. Ich muss rumlaufen und ein suchendes Gesicht machen.
Der Albtraum für mich als bekennde “Sissy” (“Schisser”). Und irgendwann finde ich die Metro, und ich denke, jetzt ist alles gut. Am “MASP” werde ich meine Kollegen treffen und dann geht’s zum Public Viewing (Brasilien gegen Italien), ich habe mein gelb-grünes T-Shirt an und freue mich.
—- bis ich am Treffpunkt ankomme.
Und da ist sie. Die Demo.
Und ich mittendrin.
Und ich denke mir “oh mein Gott.
Mit dem Bus in’s Verderben” :-/ (darum auch der Titel).
Aber ich bin in eine der friedlichen “Nebendemos” geraten. Und hier werden in völlig entspannter Atmosphäre Bilder von Menschen mit “Anonymous”-Masken gemacht, die Transparente in die Handykamera halten – alles gleich nach F*book. Um mich herum kann ich eine friedliche, gute Energie spüren. Und ich hab nicht das Gefühl, gleich im Fernsehen zu sehen zu sein. Mein Kollege holt mich ab, er lacht und erzählt, daß er sich neulich mit den Militärpolizisten (die, die mit dem Pfefferspray ‘rumgesaut haben – was nebenbei bemerkt echt nicht okay ist) hat fotografieren lassen, und die völlig entspannt gewesen seien.
Es ist wie überall. Es hat alles zwei Seiten. Ich mach zwar nicht mit bei der Demo, aber ich stehe quasi mittendrin – und es ist gar nicht schlimm. Im Gegenteil.
Vielleicht muss man nicht gerade zur Haupt-Demo rennen.
Klar, man weiss nie. Und hätte ich das gewusst, hätte ich einen anderen Treffpunkt vorgeschlagen. Aber ich bin froh, dagewesen zu sein. Sonst hätte ich ewig Angst gehabt, “in eine Demo zu geraten”. Ich war drin. Und alles war gut.

Und beim Public Viewing habe ich mich mit den anderen Brasilianern über den Sieg im Fußball gefreut, eine brasilianische Flagge um die Schultern. Was willst du mehr.

Über die Zeit nach dem Public Viewing gäbe es auch noch einiges zu berichten. Wie man zum Beispiel in Brasilien ein neues Türschloss einbaut (oder eben, wie man das nicht macht). Oder wie man im Hostel Nudeln kocht, wenn die Mikrowelle kaputt ist (weil jemand Aluminium reingetan hat). Aber das, meine Lieben, ist eine andere Geschichte, und soll ein andermal erzählt werden. (Frei nach Michael Ende)
Für die, die sich gerne Sorgen machen – nein, es war nichts mit Raub oder Einbruch, sondern der ganz normale Wahnsinn in Südamerika. 🙂

Eure Filia Leonis

P.S. ich hab total Bock, den Kellner zu erschrecken, und eine Probe vom Essen in eine kleine Plastiktüte zu stecken… =:-)

Taxi!

Ich hab doch so schön Taxi fahren gelernt. Hier in Brasilien übe ich weiter.
Genug Zeit ist ja. Morgens eine halbe Stunde – abends eine ganz Stunde.
Meine allererste Taxifahrt vom Hotel in’s Büro war besonders lustig.
Erstens habe ich da dieses besagte Schnellboot das erste Mal gesehen (und ja, es stimmt, ich hab jetzt öfter noch nachschauen können und musste jedesmal lachen :-D) und als wir losgefahren sind, bog der Taxifahrer um zwei Ecken, dreht sich zu mir um, sagte “IRGENDWASAUFBRASILIANISCHUNDLACHTDABEINETT” und bog ab – naaaa? wohin?
Genau, zur Tankstelle.
Die Motorhaube wird aufgeklappt – und mein Mund auch.
Das gibt’s doch nicht. Boxenstopp 😀 Kenne ich doch von China.

Anscheinend ist Deutschland das einzige Land, wo der Taxifahrer ausserhalb des Kundenkontaktes Autopflege betreibt. Ich warte noch auf das erste Taxi, das mit mir durch die Waschsstrasse fährt. Vielleicht bekomme ich sogar eines Tages einen Schwamm in die Hand gedrückt, um zu helfen 😉

Preise sind variabel je nach Taschenrechnermodell und schwanken zwischen 95 und 115 Reais. Passt schon. Ich schwanke ja auch, wenn ich nach der Fahrt aus dem Taxi steige.
Die letzten beiden Male hab ich portugiesisch/brasilianisch gelernt – mit dem Taxifahrer. Ich auf spanisch, er auf brasilianisch-portugiesisch – ein gefühlter Mix aus dem Spanisch, das in Mexiko gesprochen wird (also, praktisch alles verniedlicht) kombiniert mit der leidenschaftlichen Sprachmelodie der Italiener und vernuschelten Wortfetzen. Trotzdem eine schöne Sprache. Und wenn sie langsam reden, verstehe ich alles.
Das sag ich denen im Büro natürlich nicht, aber sie haben es schon rausbekommen.
😉

Was den brasilianischen Hüftschwung angeht – der sorgt anscheinend ab und zu auch mal für Motorradfahrer, die neben der Straße von der Ambulanz aufgelesen werden müssen. Leider. Zwei pro Tag erklärt mir mein Brasilianischlehrer (Taxifahrer). Keine schöne Statistik. Da helfen auch nicht die Warnschilder, die vor dem vielen Motorradverkehr warnen.

Mittlerweile mache ich es mir bei der Heimfahrt auf der Rückbank bequem. Lesen geht ja nicht weil mir a) schlecht wird und b) ist es ja schon dunkel. Das Tagesrestlicht wird ohnehin durch die stark getönten Scheiben absorbiert.
Wenn man die Scheiben runterlässt, sieht man, daß die Läden und Restaurants dann doch beleuchtet sind.

Morgen, ja morgen, da werde ich Sao Paulo im Tageslicht sehen. Das erste Mal in 6 Tagen. Und dann gibt’s auch endlich, endlich Bilder.

🙂
F.L.

Brot und Oliven?

Ach, gerne!
Ich habe gerade im Hotelrestaurant ein echt authentisches brasilianisches Gericht bestellt (Ravioli mit Tomaten und Mozzarella) und werde gefragt “Brot und Oliven?”
– und ich sage “ja, warum eigentlich nicht”. Selbst-verständ-lich auf neuerworbenem brasilianisch. (“Ta!”)
So zur Überbrückung ist das doch nett. Ein paar schwarze Oliven und Brot.
Ich tippe noch zwei-drei Zeilen in meinem Laptop, und wende mich der ersten Olive zu. Ich werde aber unterbrochen: “Das Essen ist da”.
Äh. Ja. “Obrigada”

Ich hatte das mit den Oliven für eine nette Geste gehalten, weil das Essen wahrscheinlich länger dauert. Pustekuchen. Nach 4 Minuten ist das Essen fertig. (Hat das jemand nicht aufgegessen?)
Jetzt habe ich zusätzlich zum Hauptgericht die Oliven, 6 dicke Scheiben Weißbrot, diverse Brotaufstriche vor der Nase stehen.
Bzw. hinter meinem Teller mit dem Hauptgericht, zu dem die Oliven meinem gusto nach nicht passen. Hätte ich ein Gericht mit Oliven gewollt, hätte ich das so bestellt.
So wird die “Vorspeise” wahrscheinlich auf der Rechnung und im Müll landen. Mein europäischer Magen ist nämlich auf ein Uhr morgens eingestellt und nicht auf zwei Mega-Portionen.
Sehr schade.

Warum ich beim Italiener sitze? Weil das Restaurant zum Hotel gehört, und ich mich als bekennender Schisser nicht allein vor die Tür traue. Erst recht nicht in Sao Paulo, nicht im Dunkeln. Auch, wenn mir F;o) letztens “globale Überlebenskompetenz” zugeschrieben hat – ich überlebe wahrscheinlich aus purer Feigheit.
Die Einladung zur Demo gestern abend hab ich ja auch ausgeschlagen, obwohl ich sehr gerne mal diesen “Spirit” mitbekommen würde. Den friedlichen, “wir-bewegen-was-Spirit” meine ich damit. Nicht den “Molotov-Cocktail-Spirit”.

Dafür “genieße” ich den “mal-sehen-was-wir-hotelgästen-für-geld-alles-andrehen-Spirit” – und bin gespannt, ob er mir gleich noch die Dessertkarte zu den Oliven bringt.
Außerdem rennt der Kellner ständig um mich herum, während ich hier am Tippen bin. Ob er mich für einen Restaurantkritiker hält? Der Gedanke, ich sei Geschäftsreisende, und würde mich den Abend über im Hotelrestaurant herumdrücken, ist ja anscheinend ziemlich abwegig.
Wird Zeit, daß ich in’s Hotelzimmer verschwinde. Da gehören sie schließlich hin, diese Hotelgäste 😉
Gute Nacht, Brasilien.
Morgen ist ein neuer Tag.

Eure Filia Leonis

Demo.

Ich weiß nicht, inwiefern das bei uns in den Medien präsent ist, aber in Brasilien geht ja gerade so einiges in Sachen “Demo” gegen die Regierung, Korruption und ähnliches. Und als ich in Deutschland losgeflogen bin, da ging es so richtig ab in Sao Paulo, mit Tränengas und all dem Zeug – wie man das halt immer so liest. Naja, Sao Paulo ist ja groß, denke ich mir. (Vielleicht sollte ich das denken mal einstellen, das bringt mich grad irgendwie nicht weiter ;-))

Aber: gehst Du nicht zur Demo, kommt die Demo zu Dir.
Morgens um halb acht fängt der Taxifahrer leise an zu fluchen und dreht das Radio lauter. Ich höre den Namen der Straße, wo wir gerade hinfahren und das Wort “Manifesto”… au weia. Die werden doch nicht…
DOCH! 500 meter vor meiner Auftraggeber-Firma stehen sie mit ihrer Demo auf der Straße und produzieren dicke Rauchschwaden mit dem Feuer, das sie da auf der Straße legen. – und ich hab das Gefühl, mit dem Taxi durch eine Fernsehdoku zu fahren.
Und, ich geb’s zu: Ich hab ein bißchen Schiß – so nah an den Protesten vorbeizufahren. Aber ich habe auch Gänsehaut, denn irgendwie passiert hier nämlich auch etwas ziemlich Großes.
Meine brasilianischen Kollegen sagen alle: “Brasilien wacht endlich auf – endlich bewegt sich etwas” – und dabei haben sie so einen Glanz in den Augen, der besonders ist.
Der junge Kollege setzt seinen Rucksack auf und sagt “so, ich muss jetzt los, ich will noch zur Demo – ich freue mich schon” – und er schaut, als würde er seine neue Freundin zum Kino abholen. Auch, wenn ich fast nichts über dieses Land weiß – es fühlt sich besonders an.

Wir werden sehen, was hier passiert, was sich hier bewegt.
Und wenn sich da was bewegt, dann kann ich sagen, daß ich dabei war – die Zeit wird es zeigen.

Ich bin übrigens sicher von A nach B und wieder von B nach A gekommen. Und, keine Sorge – ich hab zwar für das Wochenende noch nix vor, aber ich denke nicht, daß Ihr mich im Fernsehen werdet bewundern können.
Lieber gehe ich shoppen 😉

Eure Filia Leonis

Zitat “am Südpol denkt man ist es heiß”

ich zitiere diesen schönen Buchtitel, weil er so schön passt.

Natürlich denkt das keiner. Wir wissen ja, am Südpol, da ist Eis und Schnee. Also – warm kann es da nicht sein. Und trotzdem sind einige von uns der Meinung – je südlicher, desto wärmer.
Auch ich darf mich in die Riege stolzer “Dummies” einordnen, denen das passiert.
Brasilien. Hey. Super Sache, Sommer, Sonne, FlipFlops.
Die Frau im Flieger erzählt mir “Es ist ja jetzt Winter in Brasilien”. Ich gähne und denke mir “jaja…. was die wohl mit Winter meint” – und überlege, ob ich mein neues Kleidchen morgen im Büro anziehen soll, oder doch lieber den Anzug, falls es klimatisiert ist, im Büro.

Jaja… Und jetzt ist es soweit. Ich friere mal wieder.
Es hat zwar tagsüber schöne 25°C, aber morgens … ja, da ist es schön frisch. Weil sich ja die Sonne auf der NÖRDLICHEN Halbkugel herumdrückt. Und somit hier die Sonnenstunden echt nicht mehr besonders üppig ausfallen. Und ja, Sao Paulo ist SÜDLICH von Rio. Aber eben auch SÜDLICH des Äquators. Und ab da wird es immer kälter, je südlicher man ist.

Die gute alte Logik: “die Erde ist halt rund”. Ein kleines bisschen schäme ich mich ja, ich, mit meiner Skipper-Ausbildung, als “Weltenbummler” und erfahrene Reisende.
Eine einzige gute Entschuldigung habe ich:
Ich hab das Wetter recherchiert und neben den Kleidchen auch anständige Hemden und Anzüge eingepackt. Und:
Das ist mein erstes Mal, südlich des Äquators.
Und soooo kalt ist der Winter in Brasilien dann auch nicht.

🙂
Eure Filia Leonis.

Der brasilianische Hüftschwung

Nanu, Brasilien?
Das war doch gar nicht auf der Reiseliste?
Stimmt!
Und “meine Reise” ist rein rechnerisch auch zuende. Aber “die Reise” endet nie, und deshalb habe ich beschlossen, weiter meinen Blog mit meinen Reiseabenteuern zu befüllen.
Brasilien ist da eine gute Gelegenheit. 🙂
Wer brav mitgelesen hat (auch die Kommentare) weiß, daß mein Chef mich zum Arbeiten nach Brasilien geschickt hat. Jaa, da gibt es auch schlimmere Chefs. 😉

Das heißt, ich bin a) nicht mit dem Zug nach Brasilien gefahren (ist auch schwer, für die Trans-Atlantik-Bahn Fahrkarten zu bekommen ;-)) und b) musste ich mich nicht selbst um die Unterkunft kümmern. Und es heißt c) daß ich morgens aufstehen muss, wenn es die Arbeit erfordert, und nicht, wenn ich wach bin. In Zahlen ausgedrückt – ungefähr drei Stunden vor meiner Zeit.
Warum?
In Sao Paulo, etwas südlich von Rio, ist bisher zu allen Zeiten, in denen ich mich in einem Taxi befunden habe, Stau gewesen.
Man könnte sich eigentlich ganz gut Arbeit mitnehmen für die Fahrt in’s Büro – wenn einem nicht hinten im Auto schlecht werden würde. Man steht zwar viel (im Stau), aber wenn das Taxi erstmal fährt, dan fährt es. Und zwar so, wie es sich für eine Formel-1-Fahrerschmiede gehört: zügig. Sehr zügig.
Und deshalb gucke ich halt aus dem (getönten) Fenster und schaue mir die anderen Verkehrsteilnehmer an. Und die Geschäfte in den Straßen. DA muss ich morgen nochmal genauer hingucken. Wenn ich nicht falsch gesehen habe, gab es da einen Sex-Shop und gleich daneben konnte man ziemlich schicke Schnellboote der Marke “Fucker” kaufen. Hm. Bestimmt habe ich mit meinem Jetlag eine Wahrnehmungsstörung gehabt.

Und hier im Stau habe ich auch gelernt, was es mit dem brasilianischen Hüftschwung auf sich hat. Der sorgt nämlich dafür, daß die Motorräder, die mit konstanter Geschwindigkeit durch den Stau rasen – sich wirklich geschmeidig um die anderen Autos herum bewegen können. Ich staune. So viel Eleganz habe ich in einem Stau so noch nicht gesehen. Das ist wirklich Kurven- und Bewegungslehre vom Feinsten.

Eure Filia Leonis