Ab in’s Fernsehen! oder: Mit dem Bus in’s Verderben

Boa noite, queridos amigos! Guten Abend liebe Freunde.
Ich sitze im Restaurant (ja, das vom Hotel, das mit der italienischen Küche) und habe mir eben vom Kellner den um einen Euro teureren Wein aufschwatzen lassen. Ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Schlecht isser nicht, der Wein. Aber Oliven hab ich keine bestellt. Nicht nochmal.

Sao Paulo im Tageslicht ist nicht so übel. Ich hab mich auch alleine bis zur Busstation getraut (5 Minuten). Die haben ein interessantes Vorgehen hier. IM Bus gibt es ein Drehkreuz, und da kommst Du nur durch, wenn Du AM Drehkreuz entweder Deine Dauerkarte am Magneten hinhältst, oder der dort sitzende Mensch das für Dich tut. Natürlich gegen Bezahlung. Ich halte dieses Vorgehen für das Offizielle. Er sah nicht aus, als würder er auf eigene Rechnung arbeiten 😉
Der Bus fährt den gleichen Stil wie die restlichen Verkehrsteilnehmer (Hüftschwung), aber auf den Bus wirken in Kurven halt andere Kräfte. Auch Bremsvorgänge sind besser zu spüren – und: Man rutscht auch besser auf den Plastiksitzen – im Gegensatz zu den Sitzen im Taxi. Also halte ich mich a) fest und klemme mich b) zwischen Sitz und einer Stange zu meinen Füßen. So geht es.
Die Stationen sind übrigens nicht beschriftet. Warum auch. Es gibt schließlich auch keine Durchsagen im Bus. Alles andere wäre nicht konsequent. Aus irgendeinem Grund frage ich im richtigen Moment den Herrn neben mir, ob ich, wenn ich hier aussteige, zur Metrostation komme. Hat geklappt.
Und jetzt wird es schwierig. Ich muss rumlaufen und ein suchendes Gesicht machen.
Der Albtraum für mich als bekennde “Sissy” (“Schisser”). Und irgendwann finde ich die Metro, und ich denke, jetzt ist alles gut. Am “MASP” werde ich meine Kollegen treffen und dann geht’s zum Public Viewing (Brasilien gegen Italien), ich habe mein gelb-grünes T-Shirt an und freue mich.
—- bis ich am Treffpunkt ankomme.
Und da ist sie. Die Demo.
Und ich mittendrin.
Und ich denke mir “oh mein Gott.
Mit dem Bus in’s Verderben” :-/ (darum auch der Titel).
Aber ich bin in eine der friedlichen “Nebendemos” geraten. Und hier werden in völlig entspannter Atmosphäre Bilder von Menschen mit “Anonymous”-Masken gemacht, die Transparente in die Handykamera halten – alles gleich nach F*book. Um mich herum kann ich eine friedliche, gute Energie spüren. Und ich hab nicht das Gefühl, gleich im Fernsehen zu sehen zu sein. Mein Kollege holt mich ab, er lacht und erzählt, daß er sich neulich mit den Militärpolizisten (die, die mit dem Pfefferspray ‘rumgesaut haben – was nebenbei bemerkt echt nicht okay ist) hat fotografieren lassen, und die völlig entspannt gewesen seien.
Es ist wie überall. Es hat alles zwei Seiten. Ich mach zwar nicht mit bei der Demo, aber ich stehe quasi mittendrin – und es ist gar nicht schlimm. Im Gegenteil.
Vielleicht muss man nicht gerade zur Haupt-Demo rennen.
Klar, man weiss nie. Und hätte ich das gewusst, hätte ich einen anderen Treffpunkt vorgeschlagen. Aber ich bin froh, dagewesen zu sein. Sonst hätte ich ewig Angst gehabt, “in eine Demo zu geraten”. Ich war drin. Und alles war gut.

Und beim Public Viewing habe ich mich mit den anderen Brasilianern über den Sieg im Fußball gefreut, eine brasilianische Flagge um die Schultern. Was willst du mehr.

Über die Zeit nach dem Public Viewing gäbe es auch noch einiges zu berichten. Wie man zum Beispiel in Brasilien ein neues Türschloss einbaut (oder eben, wie man das nicht macht). Oder wie man im Hostel Nudeln kocht, wenn die Mikrowelle kaputt ist (weil jemand Aluminium reingetan hat). Aber das, meine Lieben, ist eine andere Geschichte, und soll ein andermal erzählt werden. (Frei nach Michael Ende)
Für die, die sich gerne Sorgen machen – nein, es war nichts mit Raub oder Einbruch, sondern der ganz normale Wahnsinn in Südamerika. 🙂

Eure Filia Leonis

P.S. ich hab total Bock, den Kellner zu erschrecken, und eine Probe vom Essen in eine kleine Plastiktüte zu stecken… =:-)